A ndere

N ähe

N iemals

A bschied


- Mama Ö. -

Nie hätten wir (mein Mann, meine Tochter Regina und ich) gedacht, dass wir für
unsere geliebte Anna einmal eine Homepage errichten würden, jedenfalls nicht aus diesem Grund. Seit ihrem Tod am 11. 01.2001 kreisen meine Gedanken fast ununterbrochen um dieses Geschehen. Ich habe viele Bücher und Gedichte gelesen, die von Eltern und Geschwistern geschrieben wurden, um ihrer Trauer Ausdruck zu geben und sie einigermaßen zu bewältigen. Diese waren irgenwie hilfreich, da man erfährt, dass man nicht allein auf der Welt von so einem Schicksalsschlag getroffen wurde. Meine Tochter Regina hat dann über das Internet Kontakt mit trauernden Personen aufgenommen und ist durch diese Kontakte und durch die Hilfe eines lieben Freundes und Computerfreeks, Joern Krebs, darauf gekommen für Anna eine Homepage einzurichten und damit Freunden von Anna die Möglichkeit zu geben, ein bißchen über sie oder an sie zu schreiben und allen, die es interessiert, ein bißchen über Anna und ihr Leben zu erzählen und in Form von Foto´s zu zeigen. Auf ihrem Grab liegen so viel liebe Grüße in Karten- oder Bildform an sie, dass ich denke, die Homepage ist vielleicht auch für andere eine Möglichkeit für oder an Anna eine Nachricht zu senden. Dabei fällt mir immer der Kino-Film "e-Mail für Dich" ein. Von Regina habe ich gelernt mit dieser Art von Kommunikation umzugehen. Der Kontakt mit wem auch immer kommt doch etwas schneller zu Stande und es ist für mich, die ich keine besonders leserliche Handschrift habe, auch sehr bequem per Tastatur zu schreiben.

Eine sehr liebe e-Mail hat Regina von der Autorin des Buches "Liebe Joana", Karin Stolte, das ich von unserem Pfarrer als tröstende Litaratur geschenkt bekommen hatte, erhalten.

Nun sagt Regina, Mama du musst für diese Homepage etwas über Anna´s Krankheit und den Verlauf schreiben.

Dann habe ich mich hingesetzt und wollte etwas schreiben. Im Moment habe ich auch hier bei uns im Büro die Gelegenheit, da durch das sogenannte "Sommerloch" etwas mehr Zeit ist. Ich habe schon mehrere Versuche unternommen all meine Gedanken niederzuschreiben und habe dann wieder neu angefangen und habe den schon geschriebenen Text zwar nicht überschrieben, jedoch immer wieder den neuen Text davor gesetzt. Vielleicht bleiben die anderen Texte auch am Schluss stehen, was ich jetzt noch nicht genau weiß.

Heute beginn ich nun abermals von vorn, da mir nachts, wenn ich nicht schlafen kann, doch immer irgendwelche Dinge durch den Kopf gehen, die man vielleicht als Trost für sich selbst oder auch für andere aufschreiben könnte.

Anna und ich feiern immer (?) unsere runden Geburtstage in dem selben Jahr.
Als ich 30 Jahre wurde, war sie noch in meinem Bauch und mein geliebter Vater, der kurz nach ihrer Geburt starb, meinte, die Feier holen wir dann nach, wenn "die Sache" vorbei ist. Mit dem Ausdruck "die Sache vorbei" meinte er meine Schwangerschaft, denn er war noch aus einer Generation wo man über intime (nach seiner Meinung "intim") Dinge nicht so offen spricht.

Ich hatte als Kind immer gebetet, da ich der Meinung war mit 30 Jahren kann man so etwas wie den Tod eines geliebten Menschen schon besser verkraften, "bitte lieber Gott lass meine Eltern wenigstens so lange leben bis ich 30 bin". Als mein Vater dann kurz nach dem ich 30 geworden bin und Anna geboren wurde, starb, habe ich mich daran erinnert und zu Gott gesagt: "So genau hättest Du es auch nicht nehmen müssen". ( Als dann Anna so krank wurde habe ich jeden Tag gebetet, "bitte laß sie leben", aber da hat er sich dann überhaupt nicht dran gehalten).

Nach dem Tod meines Vaters habe ich da gesessen mit Anna auf dem Schoß und habe viel geweint. Gut dass Anna und Regina da waren und natürlich auch mein Mann! Dieses Gebet und die Folgen und Anna´s so früher Tod lassen mich viel über Gott und die Welt und das Leben nach dem Tod nachdenken, aber eine Lösung und Antwort werde ich wohl erst erfahren, wenn ich sterbe.

(Sollte sie Trost sein und ist sie deshalb ein so fröhlicher Mensch geworden, der uns immer zum Lachen bringen wollte?)

Als mein Großvater am 12.03.1950 starb und ich am 12.03.1951 geboren wurde dachten die trauernden Angehörigen auch ähnlich. Ist manches vorbestimmt, oder sind es einfach nur Zusammenhänge ohne irgend eine Bedeutung?

(Welchen Sinn oder welche Bedeutung soll dann ihr Tod haben, ist es vielleicht so, dass es für sie besser so ist?)

Dann war unser 10./40. Geburtstag. Den haben wir noch gefeiert.

Dies Jahr haben wir unseren 20./50. Geburtstag in der Weise gefeiert (?), dass wir mit Basti (Anna´s großer Liebe) und ihrer Freundin Anna R. Raketen, die wir Silvester nicht abgeschossen haben, da Anna schon auf der Intensivstation lag, in den Himmel geschickt haben, in der Hoffnung, dass sie bei uns ist und dies sieht, oder diese vielleicht den Sternen etwas näher kommen. Sterne haben für uns auch eine andere Bedeutung bekommen, da Anna ihrer Schwester Regina mal folgende SMS gesandt hatte: "Wenn kleine Englein schlafen gehen, dann kann man das am Himmel sehen, denn für jeden Engel leuchtet ein Stern, und Deinen sehe ich besonders gern". Diese Zeilen haben wir dann auch für Ihre Todesanzeige gewählt, denn sie waren ja von ihr, nicht als Verfasser, aber kurz vor ihrem Tod an Regina gesandt.

Da ich nun sehr viel über Gott und die Welt nachdenke fällt mir bei Geburtstag ein, dass ihr 19. Geburtstag auf einen Karfreitag (von Bedeutung?) fiel und sie erst garnicht feiern wollte, da sich dieser Tag auch nicht unbedingt zum Feiern mit Musik etc. eignet und sie auch am nächsten Tag arbeiten wollte. Sie hatte neben ihrem größten Wunsch im Jahr 2001 das Abitur zu machen sich auch noch vorgenommen sich etwas Geld nebenbei selbst zu verdienen.

Dann sind aber doch einfach mehrere Freunde zu ihr in unseren Garten gekommen und haben mit ihr gefeiert. Ihre Freundin Anna R. hat aber "Gott (?) sei dank" ein Video gedreht, so dass wir zu allen unseren Erinnerungen auch noch sich bewegende Erinnerungen samt ihrer Stimme haben. An diesem Abend haben wir auch Raketen abgeschossen. Ein Freund aus der Nachbarschaft meinte dann beim nächsten Besuch bei uns: "Da hat doch irgend so ein Spinner im April Raketen abgeschossen". Er wusste ja nicht, dass dies zu Anna´s 19. Geburtstag geschah. Darüber haben wir zusammen mit Anna noch herzlich gelacht.

Soviel zu den Geburtstagen, oder vielleicht noch eins, als sie noch kleiner war, hat sie ihren Geburtstag immer mit ziemlich vielen Jungen gefeiert. Sie hatte im Gegensatz zu Regina fast nur männliche Geburtstagsgäste. Das war immer sehr lustig, da sie alle sehr lieb waren und am liebsten "Tiere" gespielt haben. Fabian Heinze saß dann als Löwe im Badezimmer unterm Waschbecken und Anna hat sich um alle liebevoll gekümmert, sie gefüttert und spazierengeführt.

Wo ich einmal bei ihrer Liebe zu Tieren angekommen bin, fallen mir gleich noch unsere diversen Haustiere ein.

Als erstes "Pucki" unser Zwergkanichen, dass wir nachdem Anna eine Allergie dagegen entwickelte und er, als er geschlechtsreif wurde, Regina als seine Kaninchenpartnerin auserkoren hatte und jeden Morgen um sie rumtanzte und Regina dann auf die Stühle flüchtete und rief "er hat mich schon wieder angepinkelt" zu unserem Freund Harald Müller auf dessen Bauernhof zur Pflege geben mussten. Dort ist er dann ausgebüchst und wir konnten uns immer vorstellen, dass er quietschvergnügt durch die Felder hoppelte.

Dann legten wir uns auf Anna´s Wunsch Tweety, einen Wellensichtich zu, den wir im Zoogeschäft deshalb ausgewählt hatten, weil er sehr munter und frech war. Das machte sich dann zu Hause auch noch lange bemerkbar. Er lebte in Anna´s Zimmer und da sie es nicht übers Herz brachte, dass er eingesperrt war, durfte er dort frei fliegen und hatte einen kleinen Baum (ein großer Ast) als Ruhesitz. Da Anna zu dieser Zeit sehr intensiv mit Playmobil spielte, insbesondere mit den Pferden, die alle von ihr benannte wurden, selbstgemachtes Zaumzeug trugen und natürlich auch selbstgebastelte Futtertröge, gefüllt mit Tweety´s Vogelfutter, von Anna vorgesetzt bekamen, konnte er natürlich auch dort auf dem Pferdehof landen und sein Futter mit den Pferden teilen. In dieser Zeit hatte ich noch einmal eine Lehre als Rechtsanwalts- und Notargehilfin begonnen um meinem Mann im Büro zu helfen. (Anna hat während dieser Zeit immer Steno mit mir geübt und kannte die Kürzel fast genauso gut wie ich). Dies erwähne ich deshalb, weil wir in dieser Zeit eine Putzfrau als Hilfe eingestellt hatte, die dann einmal beim Fensterputzen vergessen hatte, dass Tweety ja frei in dem Zimmer rumflog. Als Anna dann aus der Schule kam und Tweety nicht da war, war sie sehr sehr traurig. Sie hat den Vogelkäfig genommen und ist durch das Dorf gelaufen und hat nach ihm gerufen, aber er war verschwunden, aber wir konnten uns vorstellen, dass er quietschvergnügt durch die Lüfte flog.

Irgendwann reichten dann die Playmobil-Pony´s nicht mehr aus und sie und ihre Freundin Nicki fuhren jeden Samstag nach Elliehausen und ritten auf den süßen Pony´s Kalle und Erle. Da das aber nur Sonnabends ging, musste in der Zwischenzeit Ersatz her, der darin bestand, dass man Tischböcke mit dicken Decken umschnürte, einen Kopf mit Mähne bastelte und in ihrem oder in Nicki´s Zimmer ausritt. Irgendwann hatten sie dann noch die verrückte Idee unter die Tischbockbeine Rollschuhe zu schnallen, damit sich das Pferd auch bewegte. Da hatte Regina schon die größte Angst, sie gingen damit auf die Straße, denn das wäre ihr sehr peinlich gewesen. Diverse Reiterferien kamen auch noch, aber das würde den Umfang des Textes wohl sprengen. Aber vielleicht lesen ja Freundinnen von ihr, mit denen sie diese Ferien verbracht hat diesen Text und haben Lust etwas darüber zu berichten.

Irgendwann kam Anna dann zu uns und meinte ihr größter Wunsch wäre eine Ratte. Da haben wir erst einmal geschluckt und ich habe gesagt ich muss mir erst mal im Zoogeschäft welche ansehen und schauen, ob ich mich davor ekele. Wir also los, und ich habe mich nicht geekelt. Ich fand sie genau so süß wie Anna.
Stolz zogen wir mit dem Käfig und der Ratte nach Hause. Unterwegs trafen wir Anna´s Freundin Fitti, die meinte, so eine Laborratte würde sowieso nur 2 Jahre alt. Sie ist dann etwas älter geworden und hat in dieser Zeit so ziemlich alles, was ihr unter die Zähne kam zernagt (unter anderem auch die Jacke von Anna´´s Freunding Mareike Sinapius, die diese mit einem Kaugummi in der Tasche auf dem Fußboden liegen ließ.(Kaugummi ist wohl sehr lecker für Ratten) Sie durfte ja auch wieder frei in Anna´s Zimmer laufen, weil Anna fand, dass der Käfig (ein Riesengerät) zu klein für sie wäre. Sie wurde von uns Pauline getauft und lief hinter Anna her wie ein kleiner Hund. Als sie starb, weinten wir bitterlich. (Sie hatte einen Tumor).

Wo ich gerade bei diesem schrecklichen Wort bin, werde ich doch noch etwas darüber erzählen, wie wir mit der Diagnose "bösartiger Tumor" umgegangen sind. Anna´s Frage nachdem uns der Arzt die Diagnose mitgeteilt hatte "muss ich jetzt sterben?" ist für uns das schlimmste gewesen, was man sich vorstellen kann. Dann wurde uns gesagt "diesen Tumor kann man überleben, wenn er gut operiert ist". Es folgte kurz nach der 1. Operation im Sommer 1999 noch eine 2. Operation um alle bösartigen Gewebeteile zu entfernen. Die danach entnommenen Gewebeproben waren alle nicht bösartig. Da schöpften wir langsam wieder Hoffnung und Anna versuchte uns immer wieder trotz Schmerzen nach den Operationen irgendwie zu trösten und sogar zu erheitern. Selbst auf der Intensivstation machte sie uns scherzend die Geräusche vor, die beim Absaugen des Schleims durch den Beatmungsschlauch entstehen. Als sie "oben" (unten ist die Intensivstation) auf der normalen Krankenstation lag, es war eine Station auf der viele Baby´s und Kleinkinder liegen, die am Herzen operiert waren, hat sie mit viel Geduld alle Untersuchungen und Schmerzen und die Übelkeit durch die vielen Medikamente über sich ergehen lassen. Als wir wieder zu Hause waren und sie sich wieder erholt hatte, haben wir manchmal sogar lachen können, wenn wir uns wieder darin erinnerten, wie Schwester Ulrike in ihr Krankenzimmer gestürmt kam und fragte: "Tempartur?, Stuhlgang? und als Dr. Röhrig (es war ihr Lieblingsdoktor) meinte als sie sagte, wenn ich hierdrauf drücke, tut es weh, "dann musst Du nicht draufdrücken". Oder wenn er hinter dem Rücken des Oberarztes mit ihrem Kuscheltier "Heinz-Richard" Mätzchen machte. Eigentlich hatte sie immer vorgehabt, sich bei all den netten Ärzten und Schwestern dieser Station zu bedanken und ihnen ein Bild von sich, als Baby, zu senden mit einer lustigen Danke-Schön-Karte, aber die Karte ist dann leider nicht abgeschickt worden. Vielleicht finde ich sie ja noch bei den vielen Dingen, die von ihr geblieben sind. Die Schwestern hatten uns dann auch nach ihrem Tod einen Trost-Gruß gesandt, was uns gut tat. Sie wäre auch so gern wieder nach "oben" auf die Station gekommen. Sie hatte noch so schön geschrieben, "danke für die Geduld mit meiner überängstlichen Mutter, die jede Nacht, wenn sie nicht schlaften konnt, die Nachschwestern genervt hat und nachgefragt hat, wie es mir geht", oder die Dr. Buchhorn erklärt hat, in welchen Zugang der Kanüle er das Medikament spritzen sollte.
Was ihn zu einem strengen Blick veranlasste mit den Worten: "Ich mache das schon seit 15 Jahren".

Nun ist hier im Anschluss immer noch der Text, der schildert, wie alles angefangen hat. Er kann vielleicht doch einfach dort stehen bleiben, vielleicht möchte ja doch jemand wissen, wie alles anfing.

Im Frühsommer 1999 klagt Anna über Schmerzen in der linken Brust. Diese treten ab und zu in der Nacht auf. Sie hat das Gefühl, als ob an ihren Rippen etwas "knuspert" und wenn sie sich anders dreht, sind sie wieder weg. Da sie häufig unter Kopfschmerzen litt, war sie April bei einem Chiropraktiker, der sie "einrenkte", da er die Kopfschmerzen auf Verspannungen zurückführte. Wir schoben diese Schmerzen im Brustkorb vorerst auf das "Einrenken". Dann traten sie häufiger auf und wir gingen zu ihrer Ärztin die eine Migränebehandlung bei Anna durchführte. Diese überwies an eine Röntgenpraxis. Die dortige Röntgenaufnahme zeigte nach Angaben des Röntgenarztes einen "Zwerchfellhochstand". Auf meine Frage, was das bedeute, sagte er, das müßte in Erfahrung gebracht werden. Als ich diese Röntgenaufnahme sah, die zeigte, dass auf der linken Seite ein großer weißer Fleck war, hatte ich große Angst.

Die Ärztin gab uns am gleichen Tag eine Überweisung zu einer Lungenspezialistin, zu der wir mit den Röntgenaufnahmen gingen. Diese Spezialistin schaute sich die Aufnahmen an und fragte ob Anna vielleicht mal einen Unfall oder etwas in der Art hatte. Anna´s große Liebe war der Reitsport und sie erzählte, dass sie auch schon mal abgeworfen wurde. Dann schickte uns diese Lungenspezialistin wieder beruhigt nach Hause mit den Worten: "Für einen Tumor ist sie noch zu jung". Auf meine Frage was mit den nächtlichen Schmerzen wäre, meinte sie, wenn es nicht nach ließe könne man ja im Herbst eine Platte einsetzen und somit den "Zwerchfellhochstand" beseitigen.

Mein Mann und ich fuhren nach Italien, wo wir in den Abruzzen einen Urlaub für 2 Wochen gebucht hatten. Anna blieb mit ihrem Freund Basti und ihrer Schwester zu Hause in Göttingen.

Als wir in Italien angekommen waren rief nach 2 Tagen Regina an und sagte Anna hätte nachts wieder so Schmerzen. Anna ging dann zusammen mit Basti wieder zu der Lungespezialistin. Diese überwies nun zu einer CT-Untersuchung.
Nach dem Befund von dort überwies sie an die Lungenklinik in Lenglern. Wir machten uns an unserem Urlaubsort große Sorgen. Da die Praxis der Lungenspezialistin schon geschlossen war, als wir Kenntnis von dieser Überweisung hatten, fragten wir unseren Nachbarn Thorsten, ob er uns die Privattelefonnummer von ihr beschaffen könnte. Dies gelang ihm dann auch, nachdem er alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte. Wir riefen dann privat bei dieser Lungenspezialistin an und sie meinte wir sollten uns keine Sorgen machen und in Ruhe ein Glas Prosecco trinken. Es würde in der Klinik in Lenglern nur etwas Flüssigkeit abgesaugt und dann wäre alles okay.

Am nächsten Tag riefen wir, nachdem Anna in Lenglern untersucht worden war, aus Italien dort an. Der Arzt meinte auf meine Frage was es ist "Ich kann Ihnen nur sagen, es ist nichts Banales". Daraufhin haben wir sofort unsere Sachen gepackt und sind den ganzen Nachmittag und die Nacht durch nach Göttingen gefahren und waren morgens um 6.00 Uhr in der Klinik, wo Anna´s Lunge bronchoskopiert wurde. Das Ergebnis lautete, dass die Lunge in Ordnung ist, dass sie aber einen Tumor in der linken Brustseite hatte. Dieser müßte sofort operiert werden, egal ob gut- oder bösartig. Das war ein Samstag. Von dort aus wurden wir in die Uni-Klinik Göttingen überwiesen.

Am Montag wurde sie operiert. Nach der Operation teilte uns der operierende Chirurg mit, dass der Pathologe die Gewebeproben nicht als gut- oder bösartig einordnen konnte. Nach 1 Woche wurde uns dann das Ergebnis mitgeteilt. Es handelte sich um einen bösartigen Tumor, ein Mukoides Liposarkom. Sie müßten um auszuschließen, dass noch bösartiges Gewebe vorhanden ist, nochmals operieren. Auch diese Operation und die nachfolgenden Schmerzen
hat Anna mit sehr viel Geduld ertragen. Eine Chemotherapie wäre bei diesem Tumor nicht erforderlich, da dieser Tumor darauf nicht anspreche wurde uns mitgeteilt. Es solle durch 1/2-jährige Kontrolle durch ein MRT festgestellt werden, falls ein Rezidiv auftaucht. Dies könne durch abermalige Operation entfernt werden.

Im Januar 2000 ging Anna zur 1. Kontrolluntersuchung. Das Ergebnis war in Ordnung. Im Sommer war die 2. Untersuchung. Da sie mit ihrem Freund an die Ostsee fahren wollte, und das Ergebnis noch nicht vorlag (im Januar hatte uns der Chirurg Dr. Rastan telefonisch über das Ergebnis informiert), riefen wir bei Professor R. (der Anna operiert hatte) an und fragten nach dem Ergebnis. Nach 2 Stunden rief er uns an und sagte, es sei alles in Ordnung.
Im Herbst tauchten in Höhe der Operationsnarben unter der Haut kleine Geschwulste auf, die auch von Professor R. entfernt wurden. Das Gewebe stellte sich ebenfalls als bösartig heraus, so dass nochmals mehr Gewebe entfernt wurde. Auf meine Frage, und was ist "innen" wurde nicht reagiert. Nach 1 Woche rief Professor R. Anna an und teilte mit, es sei alles in Ordnung.

Im November klagte Anna dann darüber, schlechter Luft zu bekommen. Sie wurde in der Lungenklinik in Lenglern untersucht und nachdem die Lungenfunktion sich verschlechtert hatte zum MRT überwiesen. Dort stellte man fest, dass der Tumor wieder gewachsen war. Die ganze Zeit, seit dem ich wußte, dass Anna an einem bösartigen Tumor erkrankt war, hatte ich jeden Artikel, der Heilungschancen versprach, gesammelt. Ich setzte mich ans Telefon und brachte über das Mainzer Kinderkrebsregister in Erfahrung, dass der Spezialist für diesen seltenen Tumor Professor Treuner im Olga-Hospital in Stuttgart ist. Diesen rief ich an mit der Bitte um Hilfe. Er sagte wir könnten zu ihm kommen und sollten die MRT-Aufnahmen aus der Uni-Klinik mitbringen, damit er sie sich anschauen könnte. Auf diesen MRT-Aufnahmen konnte man im Sommer schon ein kleines Rezidiv erkennen. Hätte man in der Uni-Klinik dies auch erkannt, so wäre die Operation, an deren Folgen Anna dann starb, wesentlich ungefährlicher gewesen. Professor Treuners Frage, ob der Tumor überhaupt noch operabel ist, sehen wir jetzt auch in einem anderen Licht.

Er hatte uns noch angeboten einem dortigen Herz-Thorax-Chirurgen die MRT-Aufnahmen zu zeigen mit dem Hintergedanken ob wir eigentlich noch Vertrauen zu der Uni-Klinik hätten und Anna dort operiert werden wollte.
Aber Anna hatte sehr großes Vertrauen zu Professor R.(der auch immer für Anna da war und alles versucht hat, was in seiner Macht stand um den Fehler der Radiologen wieder auszugleichen) und wollte auch viel lieber in Göttingen sein, wo alle Freunde sie nach der Operation besuchen konnten.

Was dann nach der Operation auf der Intensivstation geschah will und kann ich nicht schildern. Meine Gedanken sind dort gefangen und es kostet viel Kraft nicht immer daran zu denken.

Zwar meint Regina, dass das auch sehr wichtig ist, aber ich werde sie überreden, hier aufzuhören.

Wir wollen lieber so oft wir können etwas niederschreiben was schön und erinnerungswert ist.